Arbeitsrecht: Kurzarbeit für Arbeitnehmer Foto: Pixabay

In Zeiten von Betriebsschließungen, Kurzarbeit und Entlassungen ergeben sich für viele Köchinnen und Köche arbeitsrechtliche Fragen. In der neuen Serie „Arbeitsrecht für Köchinnen und Köche“ haben wir mit Rechtsanwalt Matthias B. Lorenz gesprochen. Diesmal im Fokus: Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer.

Interview von Anouk Friess

Foto: Privat
Foto: Raab

 

Matthias B. Lorenz beschäftigt sich in seiner Tätigkeit als Rechts­an­walt vor­zugs­wei­se mit An­ge­le­gen­hei­ten des Ar­beits- und So­zi­al(ver­sicherungs-)rechts, aber auch mit den Be­rei­chen Miet- und Woh­nei­gen­tums­recht und Ver­wal­tungs­recht. Ver­kehrs­un­fall- und Fa­mi­li­en­sa­chen run­den das Port­fo­lio ab. Der VKD bietet eine kostenlose Erstberatung im Bereich Arbeitsrecht für Mitglieder durch Herrn Lorenz an.

 

1. Herr Lorenz, wie und wie lange können Köchinnen und Köche als Arbeitnehmer Kurz­ar­bei­ter­geld beziehen und wie viel Geld erhalten sie?

Der Bezug von Kurzarbeitergeld ist in erster Linie vom Arbeitgeber abhängig. Zunächst müssen die Vo­raus­set­zun­gen des § 95 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) vorliegen. Hierzu gehören ein er­heb­li­cher Ausfall von Arbeit und Arbeitsentgelt (vgl. § 96 SGB III), außerdem muss der betroffene Ar­beit­neh­mer eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben. Insoweit gelten auch Son­der­tat­be­stän­de, die in § 98 SGB III geregelt sind.

In dem Betrieb muss also letztendlich Kurzarbeit durch den Arbeitgeber rechtmäßig angeordnet wor­den sein. Der Arbeitgeber muss den Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt haben. Sind diese Vo­raus­set­zun­gen erfüllt, so kann der Arbeitgeber Kurzarbeitergeld beantragen. Grundsätzlich braucht der Arbeitnehmer hier nichts zu veranlassen. Seinen Arbeitslohn inklusive des Kurzarbeitergeldes er­hält der Arbeitnehmer wie gewohnt von seinem Arbeitgeber ausbezahlt.

Kurzarbeitergeld kann nach § 104 SGB III für einen Zeitraum von maximal 12 Monaten bezogen wer­den, wobei entscheidend und einheitlich auf den Betrieb abzustellen ist, nicht auf den einzelnen Mit­ar­bei­ter. Möglich ist aber, dass der Bezug unterbrochen wird. Erforderlich ist insoweit eine Un­ter­bre­chung von mindestens einem Monat, damit sich der Bezugszeitraum entsprechend verlängert, § 104 Abs. 2 SGB III. Bei einer Unterbrechung von mindestens 3 Monaten „erneuert“ sich der Be­zugs­zei­traum, das Kurzarbeitergeld kann – bei erneuter Reduzierung der Arbeitszeit – wieder für 12 Monate be­zo­gen werden, § 104 Abs. 3 SGB III. (das hier ist eher AG als AN-relevant)
Die konkrete Berechnung des Kurzarbeitergeldes ist abstrakt kaum möglich. Grundsätzlich werden 60% des tatsächlich durch die Reduzierung der Arbeitszeit entfallenen Netto-Entgelts gezahlt. Lebt min­des­tens ein minderjähriges Kind (auch volljährige Kinder können unter bestimmten Umständen be­rück­sich­tigt werden) im Haushalt (erforderlich ist ein Kinderfreibetrag von mindestens 0,5, der in der elektronischen Lohnsteuerkarte eingetragen sein muss), so sind es 67%, § 105 SGB III. Un­be­rück­sich­tigt bleibt die Vergütung für Überstunden oder einmalig gezahltes Arbeitsentgelt.

Von Gesetzes wegen sind einige Gruppen von Arbeitnehmern vom Bezug von Kurzarbeitergeld aus­ge­schlos­sen. Dies sind zunächst all diejenigen, die nicht versicherungspflichtig beschäftigt sind, also et­wa Rentner oder geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) (sog. 450-Euro-Jobber). Außerdem sind Bezieher von Krankengeld ausgeschlossen, solange sie Kran­ken­geld beziehen, § 98 Abs. 3 Nr. 2 SGB III. Auch etwa beim Mutterschaftsgeld kommt ein Bezug von Kurz­ar­bei­ter­geld nicht in Betracht.

Tritt Arbeitsunfähigkeit – und damit die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers (§ 3 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz [EFZG]) – während des Bezuges von Kurzarbeitergeld ein, so behält der Arbeitnehmer seinen An­spruch auf Kurzarbeitergeld, solange Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht.

Außerdem sollten Köchinnen und Köche folgenden Punkt beachten: Auch wenn das Kurzarbeitergeld steu­er­frei ist, so wird es doch bei der Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt. Es ist daher in der Ein­kom­men­steu­er­er­klä­rung anzugeben.

 

2. Was müssen Arbeitnehmer noch beachten?

Manche Änderungen in den eigenen Verhältnissen können Auswirkungen auf das Kurzarbeitergeld ha­ben, etwa die Aufnahme einer Nebentätigkeit oder ein Antrag auf Rente. Derartige Tatsachen sind ent­we­der der Lohnbuchhaltung oder direkt der Agentur für Arbeit zu melden und durch aussagekräftige Un­ter­la­gen nachzuweisen. Geschieht dies nicht, so kann nachträglich zu Unrecht gezahltes Kurzarbeitergeld zu­rück­ge­for­dert werden. Außerdem sind strafrechtliche Ermittlungsverfahren und Geldbußen möglich.

Sollten Arbeitnehmer von der Agentur für Arbeit zu einem persönlichen Termin geladen werden, so sollte die­ser auch wahrgenommen werden. Es kann sonst sein, dass der Anspruch auf Kurzarbeitergeld für eine Woche gesperrt wird, Arbeitnehmer also für diesen Zeitraum keine Zahlung erhalten.

Denkbar ist auch, dass Arbeitnehmer für die Zeit der Kurzarbeit in ein anderes Beschäftigungsverhältnis vermittelt wer­den. Soweit kein wichtiger Grund im Sinne des SGB III vorliegt, ist man verpflichtet, diese an­der­wei­ti­ge Beschäftigung auch aufzunehmen. Ansonsten riskiert man eine Sperrzeit von drei Wochen für das Kurzarbeitergeld.

 

3. Bleiben die Kranken-, Renten- und Unfallversicherungen in Kurzarbeit erhalten?

Während des Bezuges von Kurzarbeitergeld bleiben Arbeitnehmer in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Un­fall­ver­si­che­rung versichert. Die Beiträge hat der Arbeitgeber allein zu tragen, soweit es die entfallenen Ar­beits­stun­den betrifft. Soweit der Arbeitnehmer weiterhin normales Arbeitsentgelt erhält, werden die Bei­trä­ge wie üblich von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gezahlt.

 

4. Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten, um Kurzarbeitergeld aufzustocken?

Kurzarbeitergeld verstehe ich in diesem Zusammenhang so, dass es der Gesamtbetrag ist, den der Ar­beit­neh­mer im Falle von Kurzarbeit als Arbeitslohn erhält. Eine Möglichkeit, die Zahlung zu erhöhen, ist eine Ne­ben­tä­tig­keit. Wurde diese bereits vor dem Bezug von Kurzarbeitergeld ausgeübt, so kommt es nicht zu einer Anrechnung, der Zuverdienst kommt voll dem Arbeitnehmer zu Gute.
Wird die Tätigkeit erst während des Bezuges von Kurzarbeitergeld aufgenommen, so erfolgt eine An­rech­nung. Denn dann liegt eine Erhöhung des tatsächlich erzielten Entgelts vor. Eine Ausnahme gilt dabei im Zu­ge von Corona bei sogenannten systemrelevanten Tätigkeiten. In einem solchen Fall kommt unter be­stimm­ten Voraussetzungen eine Anrechnung nicht in Betracht. Diese Einschränkung gilt für die Zeit vom 1. April bis 31. Oktober 2020.
Daneben können Kinderzuschlag, Wohngeld oder Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), sogenanntes Hartz 4, in Betracht kommen. Insoweit ist eine Beratung im Einzelfall erforderlich, auch, weil sich die genannten Leistungen gegenseitig ausschließen können.

 

5. Was gilt bei Köchinnen und Köchen, die sich in der Ausbildung befinden?

Grundsätzlich sind Auszubildende von Kurzarbeit nicht betroffen. Den Ausbildungsbetrieb treffen in­so­weit ganz erhebliche Pflichten in Bezug auf die Fortführung der Ausbildung, indem etwa andere Aus­bil­dungs­in­hal­te vorgezogen werden. Innerhalb der Corona-Pandemie, namentlich durch die Schließung von Be­trie­ben, dürfte dieser Grundsatz sich allerdings in sein Gegenteil verkehrt haben, auch die Aus­zu­bil­den­den dürften betroffen sein. Dann kommt auch für die Auszubildenden die Anordnung von Kurzarbeit – und damit verbunden der Bezug von Kurzarbeitergeld – in Betracht. Für die Dauer von 6 Wochen haben Aus­zu­bil­den­de Anspruch auf Zahlung der vollen Ausbildungsvergütung auch dann, wenn Kurzarbeit an­ge­ord­net wird, § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Lorenz.

Im nächsten Interview erklärt Matthias B. Lorenz die rechtlichen Aspekte, die Arbeitgeber hinsichtlich Kurzarbeit beachten müssen.

 

Arbeitsrecht

In der Serie „Arbeitsrecht für Köchinnen und Köche“ veröffentlichen wir Interviews mit dem Rechtsanwalt Matthias B. Lorenz, der auf arbeitsrechtlich relevante Fragestellungen wie Kündigungsschutz, Kurzarbeitergeld, Arbeitsvertrag, Urlaubs- und Überstundenregelung eingeht. Der VKD beleuchtet dabei sowohl die relevanten Aspekte für den Arbeitnehmer, als auch die für den Arbeitgeber.

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