Foto: Nils Hasenau
VKD-Mitglied Steve Karlsch ist kulinarischer Direktor der Raue Consulting GmbH und seit 2004 eine feste Größe im Unternehmen von Tim Raue.
Text Aina Keller

„Ich bin keine Rampensau, ich höre lieber zu als selbst zu reden“, sagt Steve Karlsch. „Und mit Menschen, die vorangehen, komme ich gut klar.“ Das fasst die Haltung des 44-jährigen Kochs aus Berlin ziemlich treffend zusammen – und erklärt zugleich, warum er seit über zwanzig Jahren eine der Konstanten im Kosmos von Tim Raue ist: loyal, ruhig, präzise. Das Abenteuer Profiküche beginnt für ihn im Jahr 1999. Der damals 18-Jährige zieht in den Bayerischen Wald, beginnt seine Kochausbildung in einem kleinen Landhotel – fernab von Großstadtglanz und Fine Dining. „Ich wollte einfach raus aus der Großstadt“, erinnert sich Karlsch. „Die Ausbildung war mein erster Bezugspunkt zur Küche überhaupt. Es gab dort Schweine und Rinder, die im eigenen Haus geschlachtet wurden, Handwerk pur.“ Diese Zeit hat ihn geprägt, vor allem durch die Bodenhaftung. „Damals lag alles ganz dicht beieinander: Tier, Produkt, Teller.“
Vom Landhotel zur Konzeptküche
Zurück in der Hauptstadt – „Irgendwann war es zu viel Land“ – geht es erst ins Hotel Adlon und dann ins Gästecasino des Verteidigungsministeriums, wo er Uwe Hagedorn und Hans Hoffmann trifft. Zwei VKD-Mitglieder, die ihm den Verband der Köche Deutschlands, die Kochnationalmannschaft der Bundeswehr und das Culinary Team „Let‘ go Magic“ näherbringen. „Die Beiden haben in mir eine Begeisterung geweckt, von der ich nicht wusste, dass ich sie habe“, erinnert er sich. „Das war eine tolle Truppe und eine coole Erfahrung für mich.“

Der nächste und bis heute sehr wichtige Name in seiner Vita ist Tim Raue, den er erstmals im Swissôtel Berlin trifft. Zwei Jahrzehnte und zahllose Projekte später ist aus dieser Begegnung eine der beständigsten Partnerschaften der deutschen Gastronomie entstanden. „Ich schwimme da eher im Windschatten mit“, sagt Steve Karlsch bescheiden. „Aber ich weiß das zu schätzen. Tim hat eine klare Richtung, macht klare Ansagen – das tut mir gut.“
Ob asiatisch oder alpin, ob die Eröffnung des Ma Restaurants und später das eigene Restaurant Tim Raue oder Projekte wie das Colette und der Fernsehturm: Als kulinarischer Direktor derTim Raue Consulting GmbH kümmert Steve Karlsch sich vor allem um Kooperationen, Konzepte, Innovationen. Damit aus Ideen funktionierende gastronomische Erlebnisse werden. „Ich glaube, ich bin leistungsfähiger, wenn ich nicht vorne stehe“, sagt der Berliner. „Ich kann besser arbeiten, wenn ich gestalten darf, ohne das Showgirl zu sein.“ Ein Satz, der zeigt: Hier spricht keiner, der im Rampenlicht sein will – sondern einer, der versteht, was gebraucht wird, damit es auf der Bühne glänzt.
Über Freiheit und Verantwortung
„Zwischendurch“ zieht es Karlsch nach Kitzbühel. „Ich wollte mit 30 einfach mal raus, was anderes sehen“, erzählt er. Im Grand Tirolia leitet er die Küche, bevor ihn Berlin zurückholt. Es ist keine Flucht, sondern eher ein Kreislauf. „Ich wollte auf eigenen Füßen stehen – und gleichzeitig wusste ich, wo ich hingehöre.“ Heute ist er dort, wo er Freiheit und Verantwortung verbinden kann: in der Entwicklung neuer Konzepte oder in der Arbeit mit innovativen Unternehmen wie Brew Bites, einem Hersteller alternativer Proteinprodukte. „Das ist ein tolles Projekt, in dem die Proteinquelle, das Upcycling sowie CO₂-Einsparung eine Rolle spielen – und trotzdem geht’s am Ende immer um Geschmack.“

Keine Frage, Geschmack ist Steves roter Faden: „Das ist die erste Prämisse, die mich antreibt, ich mag Sachen, die eindeutig sind, die eine Sprache habe. Und ich glaube, Stillstand bringt dich nicht weiter. Irgendwann bist du sonst der Gejagte, nicht mehr der Jäger.“ Während Geduld eher nicht zu seinen Primärtugenden zählt, zieht sich das Thema Loyalität wie ein unsichtbarer Faden durch seine Laufbahn. Wenn er von anderen spricht, spürt man den Respekt dahinter. Ob von Tim Raue, der „Menschen für sich einnehmen und begeistern kann“ oder vom Berliner Kollegen Marcus Prahst, der heute die Jugendnationalmannschaft des VKD trainiert: „Der hat wirklich Bock, mit Menschen zu arbeiten, ist beharrlich und wertschätzend – das finde ich stark.“
Steve Karlsch interessiert sich in seiner Arbeit für das große Ganze und wie sich neue Ideen auf das jeweilige Koordinatensystem gut übertragen lassen. Während er die Sterneküche dem Chef „TR“ überlässt, schaut Karlsch nach „links, rechts, darüber hinaus“, nimmt wahr, ordnet ein. Das hat ihn unter anderem zu Themen wie Nachhaltigkeit und alternative Ernährung geführt – und zu dieser Erkenntnis: „Ich glaube, der neue Luxus wird künftig menschliche Interaktion sein. Wenn Roboter kochen können, wird das Wertvollste das Menschliche sein – das, was du nicht programmieren kannst.“ Dazu passt, dass er eine „kleine Renaissance des Kochberufs“ beobachtet und sich wünscht, dass sich wieder mehr junge Leute dafür entscheiden.
Experimentelles Kochen mit Weitblick
Mit einem liebevollen, kritischen Blick schaut Steve Karlsch auf seine Heimatstadt. „Ich liebe Berlin, aber manchmal habe ich das Gefühl, die Stadt stagniert.“ Die Hauptstadt bleibt dennoch vorläufig der Ort, an dem sich seine Projekte bündeln, von hier aus geht er auf Reisen, entwickelt Neues für Kooperationen und schaut sich in anderen Küchen um, ob auf Kreuzfahrtschiffen, im Fernsehturm oder in Studierendenwerken. Wenn man ihn fragt, wo er sich in fünf Jahren sieht, bleibt er gelassen. „Die Grundlagen sind gelegt“, sagt er. „Vielleicht arbeite ich immer noch an denselben Themen, vielleicht wohne ich am Meer. Aber solange es mit Essen und Trinken zu tun hat und die Menschen, mit denen ich arbeite, sich mit mir wohlfühlen, ist alles gut. Ich mag es, auf sicherem Parkett zu tanzen.“

WHO IS WHO IM VKD
Seine ehrenamtlichen Mitglieder sind das Herz und zugleich der Motor des VKD. Doch wer genau steckt eigentlich dahinter? Wer ist Mitglied der VKD-Familie? Was motiviert diese Mitglieder zum Ehrenamt, welche Lebensläufe und welche Erfahrungen bringen sie mit, was beschäftigt sie? In der Serie „Who is Who im VKD“ treffen wir einige von ihnen und stellen Fragen.