„Wildkräuter im Herbst sind wie ein zweiter Frühling in der Natur“ Foto: privat

In dieser Interviewreihe sprechen wir über Themen, die Köch:innen und die Branche beschäftigen. Diesmal mit dem Koch und Wildkräuterpädagogen Peter Namislo aus Regensburg über den Trend, wild wachsende Pflanzen zu sammeln und in der Küche einzusetzen.

Interview Aina Keller

Peter Namislo, Sie sind Berufsschullehrer für Köchinnen und Köche in Regensburg und seit fünf Jahren auch ausgebildeter Wildkräuterpädagoge. Worauf kommt es beim Sammeln von Wildkräutern in der freien Natur besonders an? 

Meine Erfahrung ist, dass man wirklich überall etwas findet. Wichtig ist, dass der Fleck möglichst naturbelassen ist, anstelle einer Intensivlandwirtschaft sollte es lieber eine Fläche abseits von Straßen und Industrieanlagen sein. In Deutschland gibt es kein Betretungsverbot für Wälder, sie müssen alle offen gehalten werden. Generell gilt für das Sammeln von Wildpflanzen die so genannte Handstrauß-Regel, das heißt, es darf so viel geerntet werden, wie sich in einer Hand tragen lässt. 

In jedem Fall ist der Spätsommer hervorragend geeignet, um tolle Wildkräuter zu finden. Die kühleren Temperaturen und die Regenfälle im September und Oktober sorgen dafür, dass die Pflanzen nochmal richtig durchstarten – das ist wie ein zweiter Frühling in der Natur. Mit Ausnahme des Bärlauchs gilt dies für nahezu alle Kräuter.  

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Der Wildkräuterpädagoge beim Sammeln von Pflanzen.

Was sind die wichtigsten Maßnahmen zur Bestimmung der Kräuter – und was sind die No-Gos? 

Ein gutes Grundwissen ist wichtig und es empfiehlt sich immer, erfahrene Kolleg:innen zu Rate zu ziehen, ein Buch zu nutzen oder eine App zu befragen. Ich selbst verwende „Flora Incognita“ und habe gute Erfahrungen damit gemacht. Das „Verwechslungs-Potenzial“, das in einigen Pflanzen steckt, ist nicht zu unterschätzen. Der Gefleckte Schierling beispielsweise ist so ein giftiger Doppelgänger im Wald. Wie beim Sammeln von Pilzen gilt auch hier: Wenn man sich nicht sicher ist, bitte einfach stehen lassen und sich erst gut informieren. 

Gibt es Tipps für die Aufbewahrung, Verwendung und Haltbarmachung? 

Unmittelbar nach dem Sammeln sollten alle Kräuter gut gewaschen werden. In einem feuchten Tuch lassen sie sich problemlos eine Woche im Kühlhaus aufbewahren, sie sind nämlich gar nicht so empfindlich, wie man denkt. Alternativ kann man sie zu Pesto verarbeiten oder im Ganzen einfrieren. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Wildpflanzen wesentlich mehr Inhaltsstoffe haben als Zuchtpflanzen und deshalb eine stärkere Bitternote mitbringen. Dieser herbe Geschmack lässt sich mit Ölen, Milchprodukten, Zucker oder Fruchtaromen abmildern, zum Beispiel in einem Dressing. 

Wie verbreitet ist das Selbst-Sammeln von Wildkräutern, gibt es Alternativen? 

In den vergangenen Jahren hat das Interesse an Pflanzen aus der Umgebung auch bei Profiköchinnen und -Köchen spürbar zugenommen. Ich persönlich schätze es sehr, vor der eigenen Haustür diese Vielfalt zu finden und immer wieder neue Welten zu entdecken. Wer noch unsicher ist oder wem die Erfahrung fehlt, ist gut aufgehoben bei kleineren Gärtnereien oder Gemüsebaubetrieben, die sich auf den Verkauf von Wildkräutern spezialisiert haben. Mein persönlicher Favorit ist hier der Allgäuer Kräutergarten artemisia, der auch einen Hofversand anbietet. 

Vielen Dank.

 

Peter Namislo

Wissen weitergeben ist seine große Leidenschaft: Peter Namislo, Schriftführer im Köcheclub Regensburg e. V.  und Studienrat, ist seit 15 Jahren als Lehrer an verschiedenen Berufsschulen tätig. Seit nunmehr fünf Jahren ist der 45-Jährige außerdem Wildkräuterpädagoge und in dieser Mission oftmals in der Natur unterwegs. Davon profitiert auch der Regensburger Köcheclub – jüngst ging es zur Wildkräuterwanderung in der Umgebung. Gekrönt wurde der Ausflug mit einer Verkostung mit Spitzwegerich-Pesto, Labkraut-Frischkäse und gepickelten Löwenzahnknospen. Sein persönliches Lieblingskraut ist Giersch – „leicht zu ernten, nicht zu aufdringlich im Geschmack und sehr vielseitig, ob roh im Salat oder als Füllung für Pasta“. 

Wildkräuter-Exkursion mit Peter Namislo | Link zu YouTube

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who is who der WildKräuter

Gierschblätter erinnern im Geschmack an mildes Selleriegrün, aber mit sehr frischen und pikanten Noten. Insgesamt ist Giersch sehr gut verträglich mit anderen Geschmäckern und nicht aufdringlich. Die Blätter enthalten hohe Anteile an Vitamin C und Mineralstoffen wie Eisen.
Verwendung: für warme und kalte Gerichte 

Die Brennnessel ist leicht zu erkennen an der typischen gezackten Blattform und dem stechenden Schmerz bei Berührung. Dabei brechen die Brennhaare ab und geben Ameisensäure an die Haut ab. Man erntet deswegen mit Handschuhen oder pflückt die Triebspitzen vorsichtig am Stängel ab. Nur die jungen Pflanzen bis ½ m Höhe eignen sich zur Verwertung, später wird der Geschmack unangenehm. Sie wächst meist an den gleichen Standorten wie der Giersch. Geruch und Geschmack sind sehr frisch und speziell, manche Menschen empfinden ihn auch als aufdringlich. Die Blätter enthalten hohe Anteile an Vitamin C, Eisen, Magnesium und Magnesium. 

Verwendung: hauptsächlich warme Gerichte, fein gehackt auch für kalte Gerichte 

Barbarakraut/Winterkresse gehört zur gleichen Familie wie Radieschen, Rettich und Senf und hat daher einen scharf-würzigen Geschmack, der von den Senfölen in der Pflanze kommt. Die Pflanze wächst wild auf lehmigen Böden und ist sehr leicht selbst anzubauen. Geerntet werden kann im Winter und Frühjahr, da die Pflanze sehr frostfest ist. Die Blattform ändert sich mit dem Alter der Pflanze, deswegen empfiehlt sich ein Geschmackstest. Ein scharfes, meerrettichartiges Kressearoma ist ein relativ sicheres Erkennungsmerkmal. 

Verwendung: hauptsächlich für Salate/Dekoration 

Löwenzahn. Diese Pflanze ist wahrscheinlich das bekannteste und auch am meisten unterschätzte Wildkraut. Leicht zu erkennen an den gezackten Blättern, dem austretenden Milchsaft und dem sehr bitteren Geschmack. Um die extreme Bitterkeit zu mildern, können die Blätter für eine halbe Stunde in Wasser gelegt werden. Eine bessere Methode ist, den Löwenzahn zu bleichen, ein umgedrehter Eimer reicht, die Blätter müssen auch nicht völlig hellgelb sein, ein helleres Grün zeigt auch schon einen angenehmeren Geschmack an. In den Mittelmeerländern schätzt man den bitteren Geschmack mehr als bei uns. Es gibt dort sogar spezielle Züchtungen „Catalogna“ und „Puntarelle“ = Vulkanspargel. 

Verwendung: für Salat, Dressings, kurz angebraten/blanchiert 

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Knoblauchsrauke. Die Blätter sind rundlich mit einer typischen tiefen Einkerbung am Stiel. Die ersten Blätter erscheinen schon früh im März zusammen mit Giersch und Brennnessel. Beim Zerreiben der Blätter zwischen den Fingern kommt ein charakteristischer Geruch nach mildem Knoblauch mit einem Kohl- oder Meerretticharoma zum Vorschein. Die Blätter sind sehr interessant, weil das Aroma nicht so aufdringlich wie beim Bärlauch ist, sondern dezent und vielschichtig. Der Geschmack entspricht dem Geruch mit leichten Bitternoten. 

Verwendung: ausschließlich roh für Salat, Dressings, als Deko. Beim Kochen wird das Aroma zerstört bzw. Unangenehm. 

Die Schafgarbe wächst an eher trockenen Standorten. Ihre länglichen und gefiederten Blätter sind gut zu bestimmen. Allerdings muss man in einer Wiese genau hinsehen, um sie zu entdecken. Wie alle Wildkräuter ist die Schafgarbe im Jugendstadium am schmackhaftesten. Sie hat einen ausgeprägten Bitterton, je jünger die Blätter sind, desto mehr verschiedene Aromen von Nüssen weisen sie auf. Bei älteren Blättern überwiegt das Bittere. 

Verwendung: hauptsächlich roh für Salat, Dressings, als Deko. Beim Kochen intensiviert sich das Bittere bzw. wird dominant, deshalb in warmen Gerichten nur sehr sparsam verwenden. 

Vogelmiere hat einen hohen Gehalt an Kalzium, Kalium, Magnesium und Eisen. Verwechslung mit dem leicht giftigen Ackergauchheil, der allerdings immer rote oder blaue Blüten hat. Deshalb immer auf weiße Blüten der Vogelmiere achten. 

Verwendung: hauptsächlich roh für Salat, Dressings, als Deko. Sehr interessanter Geschmack nach jungem Mais/Popcorn, gut als Kontrast zu gebratenem Fleisch etc. 


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