Andere Länder, andere Schulbänke Schulalltag an der Ben-Gurion-Universität des Negev: Anfang 2018 informierten sich Schüler der BS 03 aus Hamburg über den Kochberuf in Israel. Foto: Ctefan Wohlfeil

Praxisorientiert, modular und mit dualen Zügen: Vor dem Hintergrund einer heterogenen Berufsausbildung gestaltet sich auch die Berufsschule in anderen Ländern.

Von Aina Keller

Viermal die Woche im Betrieb, am fünften Tag Berufsschule und dazwischen „berufsbegleitendes Büffeln” für die Hausaufgaben. Oder doch eher eine rein schulische, mehrjährige Vorbereitung auf den Kochberuf? Hierzulande führt immer noch ein meist klassischer Weg über die Küche und die Schule ins Berufsleben. Und auch wenn das Schulkonzept innerhalb des dualen Systems in Bewegung ist, bleibt es vorläufig die tragende Säule in Sachen Ausbildung – nicht nur bei den Köchen. Seit über 120 Jahren wird bei uns dual ausgebildet. Auf Basis des 1969 erlassenen Berufsbildungsgesetzes folgen heute mehr als 300 unterschiedliche, anerkannte Ausbildungsberufe diesem Idee.

Die duale Berufsausbildung gilt weiterhin als echter Exportschlager und hat international ein sehr gutes Renommée, wenn es um Ausbildungsformen und Qualität geht. Der Blick über den Tellerrand zeigt: andere Länder, andere Schulbänke, andere Möglichkeiten.

Zertifikat à la francais

Fernab von jedem Kochtopf hat man in Frankreich als Schüler Zeit, um sich auf den Kochberuf vorzubereiten. Die schulische Berufsausbildung dauert mindestens zwei Jahre und kann auf Wunsch noch um die berufliche Hochschulreife, das sogenannte Baccalauréat professionelle (bac pro), erweitert werden. Duale Systeme sind bislang eher selten.

Schönes Schweden

Das skandinavische Land mit dem Anspruch, jedem das Recht auf Schule und Ausbildung zu gewähren, hat 2011 ein Pilotprojekt zur dualen Ausbildung gestartet. Üblicherweise erfolgt die Erstausbildung für Jugendliche bis 19 Jahre über die Gesamtdauer von drei Jahren, von denen rund 15 Wochen in einem Betrieb stattfinden. Der Experiment der dualen Ausbildung läuft, die Berufsschulen sind im Auf- und Ausbau begriffen. Schwächere Schüler und Migranten werden zudem gezielt gefördert.

The living classroom

In Namibia erhalten Berufsanfänger unter der Schirmherrschaft der Wolwedans Stiftung die Möglichkeit, im Bereich Hotellerie und Gastronomie die beruflichen Grundlagen zu erlernen. Unterschieden werden zwischen einer zehn- und einer zwanzigmonatigen Ausbildung. Gesteuert wird sie im Namibian Institute of Culinary Education (NICE), in dem die Berufsschulzeiten mit einem wirtschaftlich arbeitenden öffentlichen Restaurant verknüpft sind. Hier arbeiten die Berufsschüler im Rahmen des Unterrichts bereits ganz nah am Gast und an der Realität. Zusätzlich wird schulisches Know-How in der Wolwedans Desert Academy vermittelt.

Das Namibian Institute of Culinary Education (NICE) bildet Jugendliche in einem schuleigenen Lehrbetrieb aus. Foto: Wolwedans, NICEDesertchefs06 1280x768
Das Namibian Institute of Culinary Education (NICE) bildet Jugendliche in einem schuleigenen Lehrbetrieb aus.
Foto: Wolwedans, NICE

Doppelabschluss in Chile

Mit Deutschland als Vorbild und Partner-Pate entstand vor 40 Jahren in Chile eine Berufsschule, die von deutschen Ideen und Unternehmen geprägt wurde. Im Instituto Superior Alemán de Comercio, kurz Insalco, erhalten Azubis einen chilenischen und einen deutschen Doppelabschluss, verglichen mit einem akademischen Ausbildungsweg erfährt das Duale in Chile allerdings nicht so viel Anerkennung.

Südtirol Speziale

Berufsschulen in Südtirol sind vorwiegend als Vollzeitschule mit Internat ausgelegt. Das Land Südtirol trägt dabei einen Großteil der Kosten für Unterkunft und Verpflegung des Schulbesuchs, wobei sich die Auszubildenden, je nach Region und Schule, ebenfalls daran beteiligen müssen.

Schule olé

Wer in Spanien Koch werden möchte, drückt auf dem Weg dorthin fast ausschließlich die Schulbank. Einmal abgesehen von vereinzelten Berufspraktika erfolgt die Ausbildung auf schulischem Weg. Drei Qualifikationsstufen sind möglich, neben Básico (Einstieg) und Técnico (Erstausbildung) ist der Técnico de Grado Superior ein Fort- und Weiterbildungsweg über bis zu zwei weitere Jahre.

Very british

In Großbritannien wird der „zweigleisigen“ Berufsausbildung inzwischen eine größere Bedeutung zugemessen. Die Programme werden noch stärker auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten und es gibt immer mehr duale Lösungen.

Italienische Vielfalt

Landesweit einheitliche Standards und Ausbildungsrichtlinien sucht man in Italien meist vergebens. Die Lehrverträge sind zum einen häufig subventioniert und zum anderen von Region zu Region sehr unterschiedlich. Wer einen Bildungsgang in einem beruflichen oder technischen Institut belegt, ist im Durchschnitt etwa fünf Jahre beschäftigt und erwirbt damit zusätzlich eine Hochschulzugangsberechtigung.

Modulares System in der Türkei

Vier Jahre Vollzeitschule und danach sowohl eine abgeschlossene Berufsausbildung als auch die allgemeine Hochschulreife in der Tasche: Die Mehrheit der türkischen Jugendlichen drückt nach der Primarschule weiterhin die Schulbank, wobei insgesamt vier verschiedene Schultypen zur Auswahl stehen. Nur ein geringer Teil entscheidet sich für den Abschluss Kalfalik Belgesi (türkisch für Gesellenbrief), der unserem dualen System ähnelt. Zwei bis vier Jahr dauert dieser Weg der Erstausbildung, die seit mehr als 20 Jahren in der Türkei unter anderem für den Beruf des Bäckers angeboten wird.

Learning by doing

Kaum ein anderes Land lässt Berufstätigen in praxisorientieren Berufen so viel Spielraum und Gestaltungsmöglichkeiten der Erstausbildung wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Theoriekenntnisse können in Community Colleges erworben werden, wobei die Inhalte von Bundesstaat zu Bundesstaat unterschiedlich sind. Zusätzliche Qualifikationen können sich die Berufsschüler bei Betriebspraktika aneignen oder auf ihrem weiteren Weg ein College oder eine Universität besuchen. Eine Reihe von renommierten Schulen wie die Johnson & Wales University oder das Culinary Institute of America stehen zur Wahl.

Wohin geht die Reise? Im Zuge der Internationalisierung der Berufsbildung (IBB) werden zunehmend Informationen weltweit ausgetauscht. Welche Abschlüsse gibt es, wie lassen sie sich ver- und angleichen? Wie sind die jeweiligen Berufsprofile gestaltet? Welche Lehrinhalte müssen in den Berufsschulen überarbeitet und angeboten werden? Wichtige Impulse kommen dabei aus Deutschland und der Schweiz, unter anderem im Zuge der gleichnamigen BMBF-Förderinitiative, deren Experten sich zuletzt Anfang November über neue Handlungsfelder und innovative Lernformen abgestimmt haben.


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