Von grantigen Zwiebeln und sensationeller Rauchnote Konzentriert bei der Arbeit: Gewinnerin Anna Stocker. Foto: VKD

Anna Stocker ist Deutschlands beste Nachwuchsköchin 2019. Ein Blick in die Wettbewerbsküche des Rudolf Achenbach Preis.

Von Sonja Kuhl

Sven Reschkes Blick ist aufmerksam, beobachtend, ein wenig kritisch. Ganz ruhig steht er in der Wettbewerbsküche, Klemmbrett und Stift in der Hand, völlig unbeeindruckt von einer Geräuschkulisse aus in Töpfen scheppernden Kellen, rauschender Abluft und tutendem Konvektomat. Nur, wer ihn ganz genau beobachtet, bemerkt, wie er die Augenbraue kritisch hebt oder den Mund zu einem kaum merklichen, aber anerkennenden Lächeln formt.

Sven Reschke, „Head of Food“ bei Gans und Gar Catering Berlin, ist einer von sechs Juroren beim 45. Rudolf Achenbach Preis, Bundesjugendwettbewerb des Verbands der Köche Deutschlands e. V.. Gemeinsam mit VKD-Vizepräsident Hans-Peter Achenbach und Lukas Rohé, Leiter Produktentwicklung bei Aramark Deutschland, achtet er genau auf eine geschickte Zeiteinteilung, Mise-en-place, Sauberkeit, Rohstoffverarbeitung und -verwertung sowie Arbeitstechnik der neun Finalisten im ältesten Nachwuchspreis Deutschlands. Die Teilnehmenden bekommen davon aber kaum etwas mit.

Aufmerksam beobachtet Juror Sven Reschke die Teilnehmenden und macht Notizen. Foto: VKD
Aufmerksam beobachtet Juror Sven Reschke die Teilnehmenden und macht Notizen. Foto: VKD

Kichererbsen auf Küchenboden

Während die eine ganz ruhig die Aufzeichnungen in ihrem Notizbuch prüft, sucht der nächste nach einem Pflaster für seine kleine Schnittwunde. Im Laufschritt und mit wehender Schürze, den Arm voller schmutziger Töpfe, rennt einer in Richtung Spülküche, der nächste ärgert sich über sein Kichererbsenpüree, das durch eine kleine Unaufmerksamkeit auf dem Boden landet. Schnell wischen, bevor sich die gelbe Masse weiter auf dem Boden verteilt.

Es ist Tradition beim Rudolf Achenbach Preis, dass der Warenkorb erst am Finaltag bekanntgegeben wird. Diesmal: Avocado und Burrata in der Vorspeise, Zander und Pak Choi im Zwischengericht, Lammschulter und Kichererbsen im Hauptgericht sowie Erdbeeren und Haferflocken im Dessert. Eine gute halbe Stunde hatte am Morgen jeder Zeit, aus diesen Pflichtkomponenten ein Vier-Gang-Menü zu kreieren – und weitere viereinhalb Stunden, es zuzubereiten. Eine große Aufgabe, wenn man bedenkt, dass alle teilnehmenden Auszubildenden im letzten Lehrjahr sind.

Nach einer guten Stunde zieht Sven Reschke ein erstes Fazit: „Gemessen an der Situation sind die Teilnehmer sehr gut organisiert. Keiner ist überfordert. Alle verstehen ihr Handwerk. Sie arbeiten auf dem Niveau, das am Ende des dritten Lehrjahrs zu erwarten ist. Zwei liegen darüber.“ Einer habe sich „sehr viel“ vorgenommen. „Ich bin gespannt, ob er das schafft.“ Es sei besser, sich ein stimmiges Menü zu überlegen als sich unfassbar unter Druck zu setzen, sagt Reschke. Aber: Es bekomme nicht automatisch der die meisten Punkte, der sich das schwierigste Menü überlegt. Reschke achte darauf, ob die Azubis handwerkliche Grundlagen verstehen.

Wie ein Stich ins Wespennetz

„Noch eine Stunde bis zur Vorspeise“, ruft Juror Hans-Peter Achenbach in die Wettbewerbsküche. Seine Ansage gleicht einem Stich ins Wespennest. Aus hektischem Schritt wird Rennen, hier fliegen Krümel auf den Boden, dort wird Obst mit dem Pürierstab bearbeitet, ein weiteres Mal landet ein Messer im Finger. „Da kocht etwas über!“ Schnell muss der Topf vom Herd. An einem anderen Posten riecht es ein wenig angebrannt. „Hat noch jemand Limetten?“ Fast verzweifelt klingt die Frage. Ein anderer Teilnehmer kann aushelfen. Von Konkurrenzkampf keine Spur.

Kurz bevor die Vorspeise geschickt wird, zieht Sven Reschke eine Mini-Zwischenbilanz: „Wenn man hektisch ist, macht man Sachen, die man sonst nie tun würde. Kosten mit dem Finger, zum Beispiel“, sagt er. Und auch für einen ganzen, ungenutzten Pak Choi in der Abfallkiste gibt es eine Notiz. „Manche waren anfangs aufgeregt und wurden dann ruhig, weil sie jetzt in einem Flow sind und merken, dass es gut läuft.“ Das sei der Optimalfall.

Um Punkt 12.30 Uhr schicken die Azubis die ersten Teller. Der Service bringt sie in den Nachbarraum. Dort werden sie für die zweite Jury aufgebaut, bestehend aus Berufsschullehrer Roland Kestel, Daniele Tortomasi, Küchenchef im Mainzer Favorite Parkhotel, und Tom Rösgen, Küchenchef und Leiter der Gastronomie „Genuss & Events im See“ im Ludwigs Festspielhaus Füssen. Während des Wettbewerbs reden die beiden Jurys nicht miteinander. Die Juroren wissen nicht, welcher fertige Teller von welchem Teilnehmenden stammt. Die Bewertung soll so objektiv wie möglich erfolgen.

Die Blicke sind skeptisch. Im Zimmer ist es totenstill. Dann zerpflücken die Juroren die kunst- und vor allem liebevoll angerichteten Teller, riechen und kosten die Kreationen. Immer wieder gibt es einzelne Kommentare. „Das sieht nach wenigen Handgriffen aus.“ „Das finde ich stimmig.“ „Das ist ein bisschen tot.“ „Das ist handwerklich schön gemacht.“ „Die Zwiebel ist grantig.“ „Diese Rauchnote – sensationell.“

Anna Stocker und Axel Boesen in der Wettbewerbsküche. Foto: VKD
Anna Stocker und Axel Boesen in der Wettbewerbsküche. Foto: VKD

Roland Kestel fasst zusammen, was alle denken: „Respekt. Sie wussten heute früh noch nicht, was es mittags zu essen gibt. Sie sind alle noch in der Ausbildung, eine fremde Küche, Druck, Stress.“ Und auch Daniele Tortomasi findet: „Das ist Meckern auf ganz hohem Niveau, was wir hier machen.“ Am Abend lobt die Jury Einfallsreichtum und Kreativität. „Es war nichts dabei, was man nicht über den Pass hätte schicken können“, sagt Kestel.

Der Rahmen am Abend ist feierlich. In den schön hergerichteten Produktionsräumen der Achenbach Delikatessen Manufaktur in Sulzbach sind Förderer, Freunde der Kochkunst und Vertreter von Manufaktur und VKD vor Ort. Aus den konzentrierten Blicken der Teilenehmenden am Morgen sind fröhlich-erleichterte Gesichter geworden. Viele haben Freunde, Familie oder Unterstützer mitgebracht – alle fiebern mit.

Gegen 20 Uhr am Abend steht fest: Anna Stocker, Auszubildende im Brenners Park-Hotel & Spa in Baden-Baden, hat die Jury am meisten überzeugt. Sie holt den Rudolf Achenbach Preis 2019 nach Baden-Württemberg. Die 24-Jährige ist überglücklich. „Ich bin mit einem guten Gefühl aus dem Wettbewerb rausgegangen“, sagt sie. „Aber ich habe die Teller der anderen gesehen. Die waren richtig gut. Für sie ist klar: „Den Sieg hätten alle verdient.“

 

Platzierungen Rudolf Achenbach Preis 2019

1. Platz: Anna Stocker, Brenners Park Hotel & Spa, Baden Baden
2. Platz: Ove Wülfken, Hotel Birke, Kiel
3. Platz: Elisa Klötzer, Restaurant Tomatissimo Bielefeld
4. Plätze: Jan Schwarberg, Gasthaus Jägerberg, Hagen; Jannick Pruss, Restaurant Emma Metzler, Frankfurt; Axel Boesen, Becker‘s, Trier; Chris Fendler, Hilton, Berlin; Andreas Schoibl, Bergrestaurant Predigtstuhl, Bad Reichenhall; Thoralf Poppitz, Hotel Röhrsdorfer Hof, Chemnitz.

Über den Rudolf Achenbach Preis

2019 fand der Rudolf Achenbach Preis, Bundesjugendwettbewerb des Verbands der Köche Deutschlands e. V. (VKD), zum 45. Mal in Folge statt. Organisiert wird der älteste und renommierteste Wettbewerb für Köchinnen und Köche von der Achenbach Delikatessen Manufaktur in Zusammenarbeit mit dem VKD. Seit Beginn im Jahr 1975 wetteiferten weit über 40.000 junge Menschen um die begehrte Auszeichnung, Geld- und Sachpreise.

Hier geht’s zur offiziellen Pressemitteilung.

 


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